Der Wandel der Digitalisierung im Bauwesen: Bauen bleibt lokal

Die Baubranche befindet sich bereits im dritten Jahrzehnt der Digitalisierung. Die Fachwelt arbeitet nach wie vor an Grundlagen zur Verständigung beim Arbeiten mit deren Möglichkeiten.

Bauen ist lokal. Die Digitalisierung brach diese geschlossene Sicht bereits in den Neunzigerjahren mit CAD, Computer-Aided Design, auf. Unser Architekturbüro wechselte erstmals 1994 digitale Plangrundlagen mit «Übersee» aus. Der Datentransfer funktionierte damals noch über eine Mailadressbox der ETH Zürich direkt an die Universität von San Francisco und von da weiter zum Planer in Kalifornien (Übertragungsdauer mehrere Stunden). Der technische Wandel ist noch lange nicht abgeschlossen.

Für ein KMU im Planungsbereich der Baubranche um 1990 bedeutete der Einstieg in die Digitalisierung eine Investition von mindestens 150 000 Franken (CAD-Arbeitsplatz mit Workstation, Tablet und Röhrenbildschirm). Ab Sommer 2017, rund 25 Jahre später, absolviert ein Lernender Zeichner an der Berufsschule (Aarau) seine praktische Lehrabschlussprüfung auf seinem privaten, mobilen Laptop, wörtlich «auf dem Schoss». Dank der Digitalisierung kann lokal wie dezentral gearbeitet und produziert werden. Es ist heute selbstverständlich, digitale CAD-Plangrundlagen unter den Planern sekundenschnell auszutauschen. Diese Plangrundlagen basieren nach wie vor meistens auf visuellen Grafiken und technischen Datenblättern.

Heute können Geo- und Raumdaten bis hin zu Bauteil- und Produktdaten digitalisiert werden. Die dreidimensionale Massgenauigkeit mit tachymetrischen Geländevermessungen und Gebäudeaufnahmen von heterogenen Altbaustrukturen erleichtern und beschleunigen heute den Planungseinstieg für Bauprojekte. Im Umbaubereich und insbesondere bei anspruchsvollen Restaurierungen wie z. B. von Schloss Wildenstein in Veltheim, sind diese neuen Möglichkeiten dank der Digitalisierung von grossem Nutzen.

Die Vision einer bestechenden Arbeitsmethode

Parallel zum Begriff Industrie 4.0 spricht man aktuell in der Baubranche von BIM, Building Information Modelling. Diese Arbeitsmethode zeigt eine Spur, welche erahnen lässt, in welche Richtung sich die stets wandelnde Digitalisierung im Bauwesen hinbewegt. Bauprodukte können heute bis ins Detail digitalisiert und als standardisierte BIM-Daten für die Planer zugänglich gemacht werden. Mit der Methode entstehen beim Bauprozess quasi zwei Werke, das virtuelle Gebäudemodell und das reale Gebäude.

Die Bauindustrie wird mit diesen neuen Möglichkeiten deutlich früher in den Planungsprozess eingebunden als bis anhin. Alle, die mit einem Projekt zu tun haben, planen und bauen am gleichen virtuellen Gebäudemodell mit dem gemeinsamen Ziel, Missverständnisse auszuräumen, Fehlerquellen zu minimieren und konkret Zeit und Geld zu sparen. Nach der realen Bauvollendung erhält der Bauherr sämtliche Informationen des virtuellen Gebäudemodells, die zum Beispiel für den Liegenschaftsunterhalt weitergenutzt werden können. Die Vision dieser Arbeitsmethode ist bestechend. Doch sind noch zahlreiche Schnittstellenprobleme der Standardisierung und des Prozessablaufs zu lösen.

BIM steht in der Schweiz am Anfang

Es sind relevante Organisationen für Regulierung, Standardisierung und Bestellwesen gemeinsam mit der Erarbeitung von BIM-Richtlinien beschäftigt. Der SIA, Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, wird auf Ende 2017 ein BIM-Merkblatt herausgeben mit dem Hauptziel, «eine gemeinsame Grundlage der Verständigung in der Anwendung der BIM-Methode zu schaffen». Parallel zum Merkblatt wird eine Dokumentation erarbeitet, die mit konkreten Beispielen die methodische Anwendung verdeutlichen möchte.

Offensichtlich und bereichernd ist, dass sich im Zuge der Digitalisierung eine neue Gesprächskultur etabliert hat. Hinsichtlich der BIM-Methode ist sich die Fachwelt in der Baubranche aber nicht einig, wie auf der Plattform swiss-architects.com, der das Fortbestehen unabhängiger Architekten am Herzen liegt, zu lesen ist: «Die sich an Unikaten orientierende Baukultur, wie sie hierzulande aktuell verstanden wird, ist auf diese Vision schlecht vorbereitet und müsste gegebenenfalls angepasst werden» und «Das Einzige, was klar ist, ist, dass noch nichts klar ist». Man kann feststellen, dass BIM auf einer Initiative von global tätigen Softwareunternehmen beruht. Die Methode bietet internationale Lösungen für eine Branche, die meist national organisiert ist. Ist die Methode sinnvoll für jede Architekturaufgabe? Im Neubaubereich sicherlich eher als im Umbaubereich. Eine Revolution des Bauwesens wird es auch mit BIM keine geben. Niemand kann vorhersagen, wie schnell die digitale Entwicklung vorwärtsschreitet.

Trotzdem bleibt am Anfang jeder Bauaufgabe von neuem zu beurteilen, mit welchen Techniken und Methoden sinnvoll und effizient gearbeitet wird. Die Digitalisierung wird uns die wichtigste Aufgabe beim Bauen nicht abnehmen können: das richtige Mass zu finden für unsere Bauten.

  

Hans-Peter Leibundgut, dipl. Architekt ETH/SIA, Buser + Partner AG
Quelle: Aargauer Wirtschaft 2/2017, S. 11

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